Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Frage der Schwetzinger Zeitung, wer in das Gebäude einzieht, können wir schon vorab beantworten: „Menschen“. Damit wäre eigentlich alles gesagt.
Dieser Tagesordnungspunkt geht weit über diese Frage hinaus, es geht um die Frage, wie wir in Oftersheim in nächsten Jahren miteinander leben wollen.
Es geht hier um Geld, um Neid, um eine Gesellschaft die mehr und mehr gegeneinander als miteinander arbeitet – es geht primär um Menschen die Oftersheim wohnen und nach Oftersheim ziehen wollen oder ziehen müssen.
Es geht um steigende Mieten und um einen immer weniger werdenden Markt für günstige und bedarfsgerechte Mietwohnungen.
Wir brauchen keine schnellen und einfachen Lösungen für Probleme, sondern die richtigen Lösungen.
Richtige Lösungen sind meistens nicht die einfachen, nicht die bequemsten und selten die preisgünstigsten. Auf lange Sicht jedoch zahlen sie sich aus.
Sofern wir den Neubau vollständig als Anschlussunterbringung nutzen, haben wir keine einzige neue Wohnung in Oftersheim geschaffen, für Personen die auf der Gemeinde auf der Warteliste stehen.
Dies sind mehr als hundert. Im Schnitt wird eine Gemeindewohnung pro Monat frei. Das sind gerade 12 Wohnungen für 100 Bewerber pro Jahr. Hinzu kommen die steigenden Mieten und weitere Zuzüge nach Oftersheim. Der Wohnungsmarkt ist derzeit angespannt und mit der Lösung Scheffelstraße flicken wir nur.
Bereits 2015 wurde von der damaligen Landesregierung auch im Rhein-Neckar-Kreis ein Wohnungsmangel festgestellt. Damals betraf es die Gemeinden Dossenheim, Edingen-Neckarhausen, Eppelheim und Leimen sowie die Stadt Heidelberg.
Statistiken belegen, dass der Mietpreisindex in Deutschland mindestens seit Mitte der 90er Jahre konstant ansteigt. Die Zuwanderung hat den Anstieg weder verschärft, noch hat sie ihn verursacht. Gleichzeitig geht die Anzahl an Sozialwohnungen bundesweit zurück.
Insgesamt ist die Bevölkerungsanzahl des Rhein-Neckar-Kreises in dem Zeitraum 2014 – 2017 um fast 11.000 Einwohner gestiegen. Sozusagen ein Oftersheim ist dazugekommen.
Alleine für die Anschlussunterbringung von knapp 200 Personen im Zeitraum 2015-heute wurde bislang kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Was wir bekommen, sind 54 Plätze Anfang 2019.
Darüber hinaus hatten wir uns im Rat vor 2-3 Jahren auch verständigt, unrentable oder marode Immobilien zu veräußern. Daraus wird auch nichts, da jede freie Wohnung – wie auch immer diese aussieht – vermietet werden muss.
Deshalb reichen diese 54 Plätze bei weitem nicht aus. Aber das wussten wir schon lange. Deshalb haben wir Gemeinderäte den fraktionsübergreifenden Antrag vor fast 10 Monaten gestellt. Was ist denn passiert? Mal wieder wenig. Wenig Kommunikation, wenig aktives Handeln, keine Lösungen, kaum Einbindung in Vertragsverhandlungen (so wie wir es gefordert haben).
Auch die Auslotung aller Möglichkeiten der beiden Fördertöpfe haben wir damals beantragt. Das wurde erst vor 2 Wochen tatsächlich vollständig angegangen. Antworten haben wir erst nach der Bereitstellung dieser Sitzungsvorlage bekommen.
Diese Antworten von den Fördermittelgebern sind sehr interessant, spiegeln sie doch das wieder, was viele Gemeinderäte schon seit Monaten nachfragen:
- Sofern wir die 100%-Förderung nutzen, können wir zwar freie Wohnungen auch an Nicht-Flüchtlinge vermieten. Sobald aber spontan akuter Bedarf eines Flüchtlings besteht, müssten wir diesen dort auch unterbringen. Da wir aber bestehenden Bewohner mietrechtlich dann nicht einfach kündigen können, würden wir dann gegen die Förderrichtlinien verstoßen.
- Statt einer 100% Förderung mit100%-Flüchtlingsbelegung ist auch eine Förderung einzelner Wohnungen grundsätzlich möglich.
Auf der Basis der in der Vorlage präsentierten (mal wieder unvollständigen) Zahlen und Fakten ist eigentlich kein Beschluss möglich, da doch der mehrheitliche Wille des Gemeinderates nach dezentraler Unterbringung nicht ernsthaft von Ihnen, Herr Bürgermeister, geprüft wurde.
Auch ist die Vorlage falsch, dass wir – wenn wir KEINE Förderung beantragen – KEINE Flüchtlinge in den Neubau setzen wollen.
Für eine Integration von Flüchtlingen in unsere Gemeinde bedarf es der Anstrengung aller Seiten.
Die Bereitschaft auf der einen Seite und die Angebote auf der anderen Seite.
Das dies gelingen kann, zeigen uns die Bemühungen des Asylkreises, die viele Personen dezentral untergebracht hat.
Die Entstehung von Parallelgesellschaften – die es leider in vielen Städten gibt – muss verhindert werden. Und das kann nur dadurch geschehen, dass wir Begegnungen und ein Miteinander gestalten. Nur wer aktiv in unserer Gesellschaft ankommt, wird auch unsere Normen, Werte und unsere Sprache lernen. Das ist nicht einfach. Denn Integration heißt für uns, dass auch wir als Gesellschaft die Verpflichtung haben, die geflüchteten Menschen dabei zu begleiten, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Die Separierung und Exklusion von Menschen – gerade anderer Kulturen – führt nicht zum Ziel, sondern wird Probleme schaffen. Nur in einem gemeinsamen Miteinander, durch Respekt und Wertschätzung können wir Menschen wirklich integrieren. Und zwar, indem wir sie an unserer Gesellschaft teilhaben lassen.
Sie als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft willkommen heißen und im Miteinander gegenseitige Vorurteile abbauen. Wir müssen beginnen, die Situation als Chance zu begreifen und aufhören, die Ankunft von Menschen als Krise, Welle, oder sonstige Herausforderung zu begreifen, die so unendlich schwer ist. Deutschland war und ist ein Einwanderungsland, und wir müssen endlich beginnen, die Vielfalt in unserer Gesellschaft positiv zu nutzen.
Auch der Neubau in der Scheffelstraße verursacht Aufwände, die man gerne unter den Tisch fallen lassen möchte: 40.000 € Abschreibungen sind jährlich zu erwirtschaften.
Da Gesamtwohnraum auch mit der Scheffelstraße und dem Anwerben von Privatwohnungen nicht ausreichen wird, muss auch der Hirsch Thema bleiben:
Was hier aber bleibt, sind halbherzige Verhandlungen gerade im Bezug „Goldener Hirsch“. Hier kann man nicht als Bittsteller auftreten, hier muss man – so möchte ich einen Ratskollegen Herrn Rüttinger aus der nicht-öffentlichen Sitzung zitieren „Man muss da auf den Tisch hauen“.
Wo wir gerade beim goldenen Hirschen sind:
Unser Anliegen ist es, weiterhin diesen zu normalen Mietbedingungen anzumieten.
Warum?
Wir haben 3 Wohnungen im rückwertigen Bereich und im vorderen Bereich – im alten Gasthof – Zimmer für Einzelpersonen. Wir würden mit dem angemieteten Hirsch einen dringend benötigten Puffer an Wohnungen bekommen, wo wir zeitweise auch Einzelpersonen unterbringen können.
Jetzt haben wir das Argument gehört:
Das wäre nicht menschenwürdig. Es ist dort ein niedriger Standard, aber menschenunwürdig sind die Flüchtlingslager in Libyien, in Jordanien, in der Türkei, auf Lesbos oder auf Lampedusa.
Ein Innenminister der sich brüstet, dass an seinem 69 Geburtstag, 69 Personen abgeschoben wurden? Ist das menschenwürdig? Nein, das ist ekelhaft.
Schauen sie sich doch so manche Immobilie auch außerhalb unserer kleinen Gemeinde an. Da werden gerade in Großstädten (Mannheim) Personen Immobilien vermietet, die in einem weitaus schlimmeren Zustand sind, nur weil sie sich die Menschen immer höheren Mieten in den Städten nicht leisten können.
Jeder, der den Hirsch nicht für nicht bewohnbar hält, ist gerne eingeladen mal Bullerbü zu verlassen und sich bspw. Duisburg-Marxloh, die Dortmunder Nordstadt, den Essener Norden und den Gelsenkirchener Süden im Ruhrgebiet anzuschauen.
Das Vorderhaus ist durchaus renovierungsbedürftig – zweifellos. Hier ist auch Geld von der Gemeinde zu investieren. Aber lieber Ratskollegen, wir haben vor über 2 Jahren bereits schon einmal einen Fehler gemacht, den Hirsch damals u.a. aufgrund seines Zustandes nicht zu kaufen. Ein riesiger Fehler – auch von unserer Fraktion.
Niemand investiert gerne in ein Gebäude, was einem nicht gehört. Aber gab es Verhandlungen mit dem Eigentümer über einen Kauf zum Ende der Mietzeit? Vermutlich nicht in letzter Konsequenz.
Zurück zur Scheffelstraße
Ein Wort möchte ich noch an die Ratskollegen richten, die eine 100% Förderung befürworten. Ich kann nachvollziehen, dass es auch andere Haushaltszahlen in Oftersheim gegeben hat. Damals wäre es undenkbar gewesen auf irgendwelche Förderungen zu verzichten. Und diese Zeiten werden sicherlich wiederkommen. Ich kann daher Ihre Position nachvollziehen, halte sie aber in der aktuellen Gesamtbetrachtung für falsch.
Ein Konzept, wie man mit der Wohnungssituation und Integrationssituation umgeht, hätte man auch schon seit Jahren anstoßen können. Die Entwicklung des Wohnungsmarktes war schon lange absehbar. Und in Bezug auf die Integration gibt es schon lange Erkenntnisse aus der Fachwelt, die von den Verwaltungen lange genug ignoriert wurden. Wir brauchen einen langfristigen Plan und dazu brauchen wir auch langfristige Ziele und Visionen, wie ein Zusammenleben unterschiedlicher Menschen, Kulturen, Generationen usw. gelingen soll. Nur wenn man die Probleme nicht aussitzt, sondern aktiv als Chance begreift, können dauerhaft tragfähige Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Jetzt haben wir wieder die Situation, dass Sie, Herr Bürgermeister, keine klaren Ziele, Vorstellungen und Lösungen einbringen, sondern nach ewigen Diskussionen (keine Meilensteine) den Rat entscheiden lassen. Die Sachbearbeiter haben oft die richtigen Impulse gegeben. Aufgenommen wurden Sie von Ihnen leider nicht, Herr Bürgermeister.
Wo bleiben Ihre Vorstellungen Herr Bürgermeister? Warum können Sie sich nicht klar positionieren? Warum müssen wir das wieder für Sie tun? Warum sind Sie so beratungsresistent?
Für uns Grüne bleibt es dabei:
- Eine 100% Förderung und die damit vollständige Belegung durch Flüchtlingen halten wir für nicht zielführend und lehnen diese vollständig ab.
- Eine 50% Förderung verbunden mit der Aufteilung der Gebäude in eine reine Flüchtlingsunterkunft und ein Gebäude ohne Flüchtlinge halten wir ebenfalls für nicht zielführend und lehnen diesen ab.
- Dem vollständigen Verzicht auf Förderungen und der damit verbundenen maximal flexiblen Belegung können wir uns anschließen.
- Eine teilweise Belegung (auch bis zu 50%) von Flüchtlings-Familien, die man schon betreut und kennt, durch die Belegung einzelner Wohnungen innerhalb beider Gebäudeteile, und die damit verbundene etwas geringe Förderung können wir uns als Kompromiss anschließen.